Ärztin/Arzt in Anstellung – Ein Zukunftsmodell mit Work-Life-Balance

Interview mit Frau Weishaar, der angestellten Ärztin in Sontra

Im 2. Halbjahr 2024 startete eine hausärztliche Zweigpraxis im interkommunalen Gesundheitsversorgungszentrum in Sontra. Thomas Meister und Boba Weishaar sind dort als Arzt und Ärztin angestellt. Welche Vorteile und Nachteile Boba Weishaar des Modells „Ärztin in Anstellung“ für sich wahrnimmt, teilt sie gerne mit den Leser*innen des Newsletters.

Bitte stellen Sie sich kurz vor und teilen Sie uns bitte mit, wie Ihr bisheriger beruflicher Weg bis zu Ihrer Tätigkeit in Sontra war?

Mein Name ist Dr. Boba Weishaar. Ich bin Fachärztin für Allgemeinmedizin. Medizin habe ich in Kroatiens Hauptstadt Zagreb studiert und danach habe ich in der dortigen Universitätsklinik sowie als Pharmareferentin gearbeitet. Mich hat die Liebe nach Deutschland und in diese Region geführt. In Rotenburg an der Fulda war ich 15 Jahre tätig. Erstmal in der Inneren Ableitung des Kreiskrankenhauses, danach in der Orthopädie und zum größtem Teil anschließend in der Kardiologischen Fachklinik des Herz-Kreislauf-Zentrums. Ich habe mich jedoch dann für den ambulanten Bereich entschieden und ich wollte in eine Praxis gehen. Seitdem arbeite ich in der Landarztpraxis von Dr. Gert Hünermund und Johann Wendt. In Ringgau-Netra habe ich begonnen, während dieser Zeit habe ich auch meine Facharztbezeichnung erhalten. Nach der Eröffnung der Zweigpraxis in Sontra ist nun dort mein Hauptsitz, wobei ich noch einen Tag pro Woche in der Praxis in Netra arbeite.

Was waren Ihre Beweggründe in der Zweigpraxis der „Landarztpraxis vor Ort“ im iGVZ in Sontra tätig zu werden?

Es war von Anfang an geplant, dass ich hauptsächlich den Standort Sontra übernehme, weil es nahe an meinem Wohnort ist und ich dadurch besser mein privates Leben organisieren kann. Ich kannte die Bevölkerung und die Patienten bereits, die früher zum Teil einen weiten Weg zur Praxis in Kauf genommen haben.

Man hört gelegentlich die Äußerung von jungen Mediziner*innen, dass ein Anstellungsverhältnis einer Selbständigkeit vorzuziehen sei. Können Sie schildern inwiefern Sie Vorteile oder Nachteile durch Ihre Anstellung gegenüber einer selbständigen Tätigkeit als Ärztin oder Arzt wahrnehmen?

Der Nachteil ist, dass man doch nicht selbständig alle Entscheidungen treffen kann oder darf, weil man einen Chef „über sich hat“ der einem Rahmen und Grenzen zeigt, z. B. zeitliche, finanzielle und organisatorische. Vorteile sind wiederum, dass man eben „den ganzen organisatorischen Kram“ nicht machen muss. Das ist in der heutigen wirklich herausfordernden Zeit im Gesundheitssystem in Deutschland eine sehr große Entlastung. Ich möchte meine Zeit lieber meinen Patienten und meiner eigenen Work-Life-Balance widmen. Gesunde Ärzt*innen können mehr bewirken. 

Inwiefern können Sie Absolvent*innen der Weiterbildung die Tätigkeit in einer niedergelassenen Praxis in Form eines Anstellungsverhältnisses/Praxisverbund empfehlen? 

Ich würde den jungen Medizinern empfehlen eine Anstellungsform vorzuziehen. Falls sich doch der ein oder andere in den Sturm der Selbständigkeit wagt, würde ich auf jeden Fall vorschlagen eine Gemeinschaftspraxis zu gründen und nicht ein Einzelkämpfer zu sein. Einzelpraxen halte ich heutzutage, in der hausfordernden Zeit im Gesundheitswesen, für ein „ausgestorbenes Model“. Die Selbständigkeit birgt aus meiner Sicht auch die Gefahr selbst einen Gesundheitsschaden zu erleiden, wenn man nicht achtsam ist. Man möchte gut leben, jedoch auch ausgeglichen und in Ruhe. Diese Chance bietet aus meiner Perspektive ein Anstellungsverhältnis.

Was schätzten Sie besonders an Ihrem Wohn- und/oder Arbeitsort im Werra-Meißner-Kreis?

Der Werra-Meißner-Kreis liegt strategisch im Bundesland Hessen in der Mitte Deutschlands. Für Reisen in andere Gebiete Deutschlands ist das sehr günstig. Die hiesige Landschaft, zusammen mit dem benachbarten Thüringen, ist wunderschön. In der Stadt Sontra befindet sich eine Grund- und eine weiterführende Schule, ein tolles Freibad, Geschäfte und Banken. Alles zusammen ist für eine Familie hervorragend.


Einer der Initiatoren der hausärztlichen Praxis - Johann Wendt - berichtet wie es zur Gründung kam

Der Hausarzt Johann Wendt zog aus Hannover in den Werra-Meißner-Kreis nach Netra, wo er gemeinsam mit Gert Hünermund die „Landarztpraxis vor Ort“ ins Leben gerufen hat. Die beiden Ärzte haben gemeinsam im interkommunalen Gesundheitsversorgungszentrum in Sontra für ihre Patient*innen eine Zweigpraxis geschaffen. Wie kam es dazu und welche weiteren Pläne gibt es in naher Zukunft?

Was waren Ihre Beweggründe eine Zweigpraxis in Sontra ins Leben zu rufen? 

Unser Hauptanliegen, welches Dr. Gert Hünermund und mich zur Gründung der Praxis in Sontra bewogen hat, war die Versorgung der Sontraner Gemeinde. Wir haben bereits vorher sehr viele Patienten aus Sontra behandelt und wollten ein zusätzliches Angebot schaffen, welches die Menschen vor Ort versorgt. Ein weiterer wichtiger Grund für uns ist die Altersstruktur der Ärzte im Werra-Meißner-Kreis, da aktuell 40% der noch tätigen Hausärzte über 60 Jahre alt sind. Und mit dem Modell der angestellten Ärzte war es möglich, hier langfristig eine medizinische Versorgung sicherzustellen.

Unterstützend erhielten wir von der Stadt Sontra und von den Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in Form von monetären Fördersummen. Aber auch den Vermieter des iGVZ, der eine tolle Umsetzung der Raumplanung und Gestaltung geleistet hat, haben wir sehr unterstützend wahrgenommen.

Was würden Sie gerne noch Neues mitteilen? 

Seit Januar 2025 bietet Herr Dr. Meixner aus Witzenhausen bei uns in Netra eine diabetologische und schmerztherapeutische Sprechstunde an. Damit schließen wir eine weitere Versorgungslücke im Werra-Meißner-Kreis.

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