Ein Interview mit Juliane Olliger, Psychologin und Psychotherapeutin in Weiterbildung am Klinikum Werra-Meißner
Bitte stellen Sie sich kurz vor.
Mein Name ist Juliane Olliger und ich bin Psychologin und angehende psychologische Psychotherapeutin. Meine Fachrichtung ist Verhaltenstherapie und ich bin im letzten Jahr meiner Ausbildung zur Psychotherapeutin. Parallel zu der Ausbildung arbeite ich seit ca. 4 Jahren als Psychologin am Klinikum Werra-Meißner. Bisher konnte ich in dieser Zeit auf unterschiedlichsten Stationen berufliche Einblicke sammeln (z.B. Tagesklinik, Allgemeinpsychiatrie, Suchttherapie) und meinen beruflichen Werdegang weiterführen.
Weshalb haben Sie sich dazu entschieden, Ihre Weiterbildung zur Psychotherapeutin im Klinikum Werra-Meißner zu absolvieren?
Die Gründe sind vielseitig: Zum einen gefällt mir die Arbeit in einer großen Psychiatrie mit unterschiedlichen Stationen und beruflichen Möglichkeiten. Zum anderen gefällt mir die Lage von Eschwege sowie die gute Anbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Eschwege ist von Göttingen aus gut mit Zügen zu erreichen und das Klinikum befindet sich in umgehender Bahnhofsnähe. Zusätzlich bietet das Klinikum mir die Möglichkeit, in multiprofessionellen Teams zu arbeiten und mich durch regelmäßige Fortbildungen beruflich weiterzubilden.
Haben Sie Veränderungen bzgl. der Krankheitsbilder oder bei den Bedarfen der Menschen während Ihrer Zeit im Klinikum bemerkt? Z.B. bei den jungen Erwachsenen?
Während meiner Arbeit am Klinikum habe ich in den letzten Jahren durchaus eine Veränderung bezüglich der Symptom-Intensität und Patientengruppe bemerkt. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie sind viele Patient*innen vermehrt sozial isoliert und suchen zu spät therapeutische Hilfen auf. Ihre Symptome können sich daher schneller intensivieren und verfestigen. Zusätzlich scheint die Patientengruppe jünger zu werden und viele junge Erwachsene kommen mit einem signifikanten psychischen Leidensdruck.
Im Jahr 2020 hat sich die Psychotherapeutenausbildung geändert. Absolvieren Sie den Ausbildungsweg nach dem neuen oder nach dem alten System?
Obwohl sich die Psychotherapieausbildung im Jahr 2020 verändert hat, absolviere ich die Ausbildung nach dem alten System. Für mich persönlich gab es zum Beginn meiner Ausbildung keine andere Option und ich bin bisher sowohl mit dem Ausbildungsablauf als auch den beruflichen Perspektiven zufrieden. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass es reizvoll ist, im neuen System die Approbationsprüfung früher absolvieren zu können. Wichtig ist nur, dass auch die Arbeitgeber*innen über die Besonderheiten des neuen Systems – insbesondere die Finanzierung von z.B. verpflichtender Supervision – informiert werden, um Unstimmigkeiten zu vermeiden.
Während des Ausbildungsweges besteht lange der Status des „noch nicht ganz fertig seins“, womit ein geringeres Einkommen verbunden ist. Können Berufsstarter*innen ihren Lebensunterhalt gut sichern?
Obwohl die Finanzierung der Ausbildung im Allgemeinen fordernd ist, ist sie möglich. Die Anstellung als Psychologin nach Tarifvertrag hilft mir hierbei, die finanziellen Einbußen der Ambulanzzeit auszugleichen. Dennoch ist es wichtig, sich vor Beginn der Ausbildung genau über Finanzen und unterschiedliche Institutskosten zu informieren.
Ambulanzstunden sind fester Bestandteil der Ausbildung. Können Sie das mit Ihrer stationären Tätigkeit gut verbinden?
Glücklicherweise ermöglicht mir das Klinikum große Flexibilität bezüglich meiner Arbeitszeiten, sodass ich die Ambulanzstunden an meinem Institut parallel ableisten kann. Die Arbeit am Klinikum und gleichzeitig in der Ambulanz ist dennoch zeitlich aufwendig. Das Absolvieren der Ausbildung in Regelzeit (3 Jahre) ist daher eher ungewöhnlich.
Sicherlich kommt es auch mal zu Grenzsituationen in ihrem Beruf. Wie gehen Sie damit um?
Der Beruf als Psychologin/Therapeutin, insbesondere im stationären Bereich, ist immer spannend und abwechslungsreich. Dennoch kann es in Einzelfällen zu Grenzsituationen kommen, die fordernd und belastend sein können. Das Klinikum sorgt als Arbeitgeber dafür, dass ich mich in solchen Situationen unterstützt und sicher fühle. Persönliche Betreuung und Begleitung von der Stationsleitung ist üblich und in Grenzsituationen unverzichtbar. Für mich persönlich ist es zusätzlich wichtig, auch einen privaten Ausgleich zu haben und meine Freizeit selbstfürsorglich zu gestalten. Das Ausüben von Hobbies und Freunde und Familie sind daher für mich ebenso unverzichtbar.
Sehen Sie für sich eine Chance der Weiterentwicklung im Klinikum oder ziehen Sie auch in Erwägung, sich niederzulassen und selbständig zu arbeiten?
Aktuell sehe ich gute berufliche Chancen als junge Psychologin und angehende Therapeutin am Klinikum. Das Klinikum ermöglicht Berufsanfänger*innen interessante Berufsfelder und Aufstiegsmöglichkeiten und ist gleichzeitig ein sicherer Arbeitgeber. Dies ist für mich beruflich und persönlich sehr interessant.
Was braucht es aus Ihrer Sicht, um die Versorgung zu verbessern?
Aus meiner Sicht benötigt die psychiatrische Versorgung im Landkreis mehr Personal und finanzielle Ressourcen. Viele Kliniken und Institute sind aktuell durch die hohe Anzahl an Patient*innen stark ausgelastet und benötigen dringend mehr Behandlungskapazitäten. Dies würde auch den Patient*innen zugutekommen und Wartezeiten auf Therapieplätze verkürzen.
Welche Empfehlung würden Sie gerne jungen Menschen mitgeben, die vor der Entscheidung zu einer Weiterbildung in der Psychologie und Psychotherapie stehen?
Ich empfehle allen Interessierten jeweils ein Praktikum im ambulanten und stationären Bereich zu machen. Dies ermöglicht es, einen umfassenden Überblick über Arbeitgeber*innen, Behandlungsoptionen und Krankheitsbilder zu bekommen und erleichtert einen späteren Berufseinstieg.
Die Arbeit als Psychologin und angehende Therapeutin ist spannend und vielseitig. Sie ist ein ständiger Lernprozess und bereitet bei beruflichem und persönlichem Interesse große Freude.