Ohne Medizinischen Fachangestellte läuft eine Praxis nicht.

Bericht zur Situation von Medizinischen Fachangestellten am Beispiel der Hausarztpraxis von Dr. med. Klaudia Ress in Hessisch-Lichtenau


 

Zur Praxis

Schon seit vielen Jahren ist Frau Dr. med. Ress aktiv in die medizinische Gestaltung im Werra-Meißner-Kreis eingebunden – u.a. als Themenpatin für den Bereich „Medizin/Hausärzte“. Die gebürtige Nordschwarzwälderin entschied sich im Jahr 1999 für den Weg in die Selbstständigkeit und bildet seitdem in ihrer Landarztpraxis für Allgemein-, Notfall- und Palliativmedizin in Hessisch-Lichtenau Medizinische Fachangestellte (MFA) aus. 

Frau Moschda Nawabi ist Medizinische Fachangestellte in der Praxis von Frau Dr. Ress und hat im Zeitraum von 2017-2020 zunächst ihre Ausbildung absolviert und wurde anschließend direkt übernommen. Sie hat eine ¾ Teilzeitstelle.

 

Die Ausbildung

Bis vor rund 20 Jahren wurden Medizinische Fachangestellten häufig noch als Arzthelfer*innen bezeichnet. Voraussetzung für eine Ausbildung zur MFA ist der Hauptschulabschluss. Insgesamt dauert die Ausbildung drei Jahre. In Hessen besuchen die Auszubildenden zweimal pro Woche die Berufsschule und eine Woche pro Jahr findet zusätzlich eine überbetriebliche Ausbildung bei der Landesärztekammer in Bad Nauheim statt. Eine Auszubildende kostet den Arztpraxen etwa so viel wie eine Halbtagskraft und fehlt gleichzeitig zwei Tage in der Woche. Viele Ärztinnen und Ärzte bilden laut Frau Dr. Ress deshalb weniger aus. 

Frau Nawabi hat im Jahr 2017 in verschiedenen Hausarztpraxen ein Praktikum gemacht. Die Adressen der Arztpraxen, die eine Ausbildung anbieten, hat Sie über die Arbeitsagentur erhalten. Es war für sie mit einem Realschulabschluss relativ einfach, die verschiedenen Praktika zu vereinbaren. Sie hat sich die Praxis von Frau Dr. Ress ausgesucht, weil das Betriebsklima sehr gut ist und sie von Anfang an vermittelt bekam, dass sie dort gern gesehen ist und etwas lernen kann.
In der Ausbildungsklasse von Frau Nawabi waren ca. 25 Auszubildende. Während der dreijährigen Ausbildung gab es viele Wechsel ihrer Klassenkameradinnen, dies vor allem, wenn es atmosphärisch zwischen den Auszubildenden und den anderen Personen in der Praxis nicht so gut klappte.
In ihrer Ausbildung hat sie am meisten in der Praxis gelernt, die Berufsschule sowie die jährlichen Kompaktwochen waren auch interessant. Die notwendigen Qualifikationen für ihren Alltag hat sie jedoch überwiegend in der Praxis gelernt. 

 

Team und Alltag

„In meiner Praxis beschäftige ich fünf Medizinische Fachangestellte, eine Praxismanagerin mit Sekretärinnenausbildung, eine Altenpflegerin als Gemeindepflegerin für den Kreis und eine Reinigungskraft auf Minijob-Basis“, erzählt Frau Dr. Ress. „Zwei der Medizinischen Fachangestellten sind Halbtagskräfte, drei arbeiten mit einer 80%-Stelle. Unter den fünf MFA habe ich eine VERAH (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis) und zwei NäPA (Nichtärztliche Praxisassistenz). Das sind Zusatzausbildungen zur Durchführung von Hausbesuchen. Außerdem arbeitet eine von ihnen als Demenzberaterin.“ Da Frau Dr. Ress in absehbarer Zeit aus Altersgründen in den Ruhestand gehen wird, hat sie in diesem Jahr keine neuen Auszubilden aufgenommen: „Mein Nachfolger soll selbst entscheiden, ob er ausbilden möchte, ich würde ihm das auf jeden Fall raten.“ 

Frau Dr. Ress erklärt, dass unter den MFA zu 99% Frauen ausgebildet werden. Viele möchten wegen der Familie nur in Teilzeit arbeiten. Zudem wechseln die MFA durch Schwangerschaft, Heirat und/oder Wegzug der Ehepartner*innen häufig die Praxis. Kolleg*innen werben selten eine MFA ab. „MFA werden immer gebraucht, aber wie bei den Pflegekräften und den Ärzt*innen werden es wegen der Belastung, der Arbeitszeiten an Wochenenden oder Feiertagen und der geringen Wertschätzung der Bevölkerung immer weniger“, betont sie. „Teilweise arbeiten MFA auch im Nachtdienst. Viele sind deshalb ausgebrannt und wechseln in Berufe mit besserer Bezahlung und besseren Arbeitszeiten.“ 

Es ist abwechslungsreich, stressig im positiven Sinne – also nie langweilig und man weiß, dass man gebraucht wird, berichtet Frau Nawabi. Sie ist voll und ganz zufrieden in der Praxis, das Betriebsklima ist super und die Wertschätzung von Frau Dr. Ress sowie durch die Patient*innen ist motivierend. 

In der Praxis gibt es neben den üblichen Öffnungszeiten mit Terminvereinbarung auch offene Sprechstunden und Abendsprechstunden. Da das Team groß genug ist, ist sichergestellt, dass immer zwei Kolleginnen zu den Sprechzeiten – insbesondere abends, anwesend sind. Zusätzlich finden die Abenddienste im Wechsel statt, so dass dies gut mit Freizeit und Familie verbunden werden kann. 

Die zusätzlichen Weiterbildungsangebote sind für sie sehr reizvoll, aber zunächst muss sie drei Jahre nach ihrer Ausbildung als MFA arbeiten, bevor sie sich weiter qualifizieren kann. 

 

Motivation

Für Frau Nawabi war der Berufswunsch schnell klar, sie wollte direkt mit Menschen arbeiten und nicht in einem Büro sitzen. Außerdem schätzt sie, dass sie den Erfolg der eigenen Arbeit (Wunden verheilen, Patient*innen geht es besser) direkt mitbekommt. Und ihre Hauptmotivation ist, dass sie gern Menschen hilft und es ihr Spaß macht, für andere da zu sein. 

Frau Dr. Ress hat von Anfang an auf Ausbildung gesetzt. Sie hat bis auf eine Auszubildende alle ausgebildeten Medizinischen Fachangestellten nach der Ausbildung direkt übernommen. Es ist für Sie und ihr Team auch sehr schön, wenn immer wieder jüngere Personen in der Praxis sind. Außerdem hat sie selbst, aber auch ihr Team Spaß daran, Wissen zu vermitteln und anderen etwas beizubringen. Davon profitiert das gesamte Team, da die Arbeit abwechslungsreicher wird und häufiger die routinierten Arbeitsschritte dadurch nochmal hinterfragt werden. 

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