Ein Interview mit Valerie Philipp – Geschäftsführerin des Hauses Germerode

Eine Fachklinik für Suchterkrankungen - inmitten von Mohnfeldern: Die Geschäftsführerin Valerie Philipp erzählt von ihrer Arbeit und der Übernahme des Hauses Germerode.





Bitte stellen Sie sich kurz vor.

Mein Name ist Valerie Philipp und ich komme gebürtig aus dem Werra-Meißner-Kreis. Ich habe mein Bachelor-Studium berufsbegleitend in Sozialer Arbeit absolviert und nach meinem Abschluss habe ich ab 2015 im Haus Germerode als Sozialpädagogin gearbeitet. Während der Tätigkeit in der Fachklinik habe ich mich für einen berufsbegleitenden Master entschlossen, den ich im Fernstudium absolviert habe. Im Rahmen des Masters, dessen Inhalte sich u.a. auf die Leitung einer Klinik bezogen, habe ich den Entschluss gefasst, dass ich in Zukunft eine Fachklinik leiten möchte. Nach dem Master-Abschluss habe ich die Fachklinik für einige Zeit verlassen, um in anderen Bereichen zu arbeiten und neuen Tätigkeiten auszuprobieren – z.B. war ich zwei Jahre beim Jugendamt in Eschwege. Der Kontakt zum Haus Germerode blieb aber auch in dieser Zeit bestehen und schließlich bekam ich eine Anfrage für die Nachfolge der Geschäftsführung. Therapeutische Aufgaben nehme ich seit der Übernahme nicht mehr wahr.

 

Sie haben erst kürzlich die Fachklinik Germerode übernommen: Was hat Sie dazu bewogen?

Das Haus Germerode wird von mir (Geschäftsführerin und Verwaltungsleiterin) und Herrn Kalk (Geschäftsführer und Therapeutischer Leiter) seit dem 01. April 2022 geführt. Wir kennen uns schon länger und haben uns im Haus Germerode früher ein Büro geteilt. Bereits zu der Zeit konnten wir uns in enger Zusammenarbeit mit der leitenden Ärztin Sonja Kühnemuth vorstellen, die Fachklinik irgendwann zu übernehmen.

 

Wie hat sich die Übernahme der Fachklinik gestaltet? (Wurden Sie bei der Übernahme durch den Landkreis oder andere Institutionen unterstützt?)

Die vorherige Geschäftsführung sowie Frau Kühnemuth als leitende Ärztin haben uns bei der Übernahme sehr gut unterstützt. Wir wurden beide umfassend eingearbeitet und der telefonische Kontakt (u.a. bei Nachfragen) wurde gehalten. Die Aufteilung der Leitung in zwei Bereiche haben wir ebenfalls von der vorherigen Geschäftsführung übernommen.

Vor der Übernahme habe ich bereits vier Monate in Vollzeit in der Klinik gearbeitet und wurde von der ehemaligen Leiterin umfassend eingearbeitet. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Meißner sowie die Landrätin des Werra-Meißner Kreises haben uns bei der Öffentlichkeitsarbeit für das Haus Germerode unterstützt – viele kannten uns bis dahin gar nicht.

 

Mit welchen Institutionen/Einrichtungen etc. arbeiten Sie noch zusammen?

Bei Rückfällen arbeiten wir mit der Station 15 (Entgiftung) des Klinikums Werra-Meißner und mit dem Ökumenischem Hainich Klinikum Mühlhausen zusammen. Darüber hinaus pflegen wir enge Zusammenarbeit mit diversen Suchtberatungsstellen, JVA und Entgiftungen – sowohl hessenweit als auch darüber hinaus – und dem betreuten Wohnen in Hersfeld/Rotenburg.

 

Welche Fachärztinnen und -ärzte/Therapeutinnen und Therapeuten beschäftigen Sie?

Im Haus Germerode beschäftigen wir hauptsächlich Fachärzt*innen für Psychiatrie und Psychotherapie, aber auch psychologische Psychotherapeut*innen und bilden diese teilweise aus – aktuell befinden sich zwei Psychologinnen in Weiterbildung zum Psychotherapeuten in unserem Haus. Außerdem beschäftigen wir Arbeits- und Ergotherapeut*innen, Sozialpädagog*innen, Sporttherapeut*innen, Ernährungsberater*innen und Pflegekräfte. Regelmäßig haben wir auch Praktikant*innen von Universitäten, die sich einen Eindruck von unserer Arbeit verschaffen möchten/können.

 

Ist der Fachkräftemangel im Haus Germerode spürbar? Haben Sie aktuell vakante Stellen?

Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten: Es gibt aktuell vakante Stellen, was jedoch damit zusammenhängt, dass der Leistungsträger den Anteil an Vollzeitkräften aufgestockt hat. Der Fachkräftemangel ist im Haus Germerode aktuell kaum spürbar. Wir arbeiten jedoch in der Klinik in einem festen Team – falls Bewegung reinkommen sollte, könnte es schwierig werden. Bei der vergangenen Stellenausschreibung bzw. Bekanntmachung von vakanten Stellen über Social Media gingen viele Bewerbungen ein – eine spezielle Strategie ist daher aktuell nicht notwendig.

 

Haben Sie infolge der Corona-Pandemie eine erhöhte Anzahl an Therapie-Anfragen wahrgenommen? Hat sich die Altersstruktur der Patient*innen verändert?

Eine Veränderung der Altersstruktur der Patient*innen wurde infolge der Corona-Pandemie nicht wahrgenommen. Die Patient*innen sind sowieso relativ jung – überwiegend zwischen Anfang/Mitte 20 bis Anfang/Mitte 30 – und jüngere bzw. ältere Patient*innen sind eher die Ausnahme.

Ebenfalls gab es im Zusammenhang mit der Pandemie keine Erhöhung der Anfragen. Vielmehr hat sich die Anzahl verringert: Mit der Freigabe des Corona-Impfstoffes wurden die Angestellten geimpft und diese Impfung war ebenso Voraussetzung für einen Therapieplatz. Viele hat das leider abgeschreckt, weshalb es zu dieser Zeit weniger Anfragen gab.

 

Im Haus Germerode sind Sie auf die Behandlung von Suchterkrankten spezialisiert. Gleichzeitig ist Germerode überregional für die Mohnfelder und -blüte bekannt. Wie gelingt es, dass diese beiden Themenfelder, die auch Konfliktpotential bergen können, nebeneinander (gut) existieren? Werden Behandlungen oder Behandlungserfolge beeinträchtigt?

Mit der vorherigen Geschäftsführung gab es bereits Gespräche mit dem Bürgermeister und dem Betreiber der Mohnfelder – weil genau dieser Gegensatz vom Haus Germerode kritisch betrachtet wurde und wird. In dem Zuge wurde sich darauf geeinigt, dass Informationsschilder auf den Feldern auf die Risiken und Nebenwirkungen von Mohn hinweisen. Beeinträchtigungen bzgl. der Behandlungserfolge von Suchterkrankten wurden nicht festgestellt.

 

Sie kommen gebürtig aus dem Werra-Meißner-Kreis. Was hat Sie nach Ihrer Ausbildung dazu bewogen, in den Werra-Meißner-Kreis zurückzukehren?

Ich wollte nie unbedingt den Werra-Meißner-Kreis verlassen. Für das Studium musste ich gezwungenermaßen wegziehen, wobei ich aber direkt nach Beendigung des Studiums zurückgekommen bin. Ich wusste schnell, dass ich mich in der Region wohlfühle und hier leben möchte. Da ich außerdem ein sehr eindrückliches erstes Arbeitserlebnis im Haus Germerode hatte, war mir klar, dass ich bleibe.

 

Was schätzen Sie an dem Landkreis als Wohn- und Arbeitsort?

An dem Werra-Meißner-Kreis als Wohn- und Arbeitsort schätze ich besonders die schöne Landschaft und meinen kurzen Arbeitsweg. Außerdem habe ich Familie und Freunde hier, sodass ich die Region nicht mehr verlassen möchte.

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