Ein Interview mit Dr. Marion Haase

Öffentlicher Gesundheitsdienst vielseitig im Zentrum der regionalen Gesundheitsversorgung




Bitte stellen Sie sich kurz vor.

Mein Name ist Dr. Marion Haase und ich bin hier im Werra-Meißner-Kreis aufgewachsen. Nach dem Studium in Göttingen habe ich zunächst in einem Krankenhaus in der Inneren Medizin gearbeitet. Zurück im Werra-Meißner-Kreis habe ich eine Zeit lang in Teilzeit in einer Allgemeinarztpraxis gearbeitet. Ich habe eine Akupunktur-Ausbildung absolviert, einige Jahre hatte ich eine kleine Praxis für Laserakupunktur und in den Beruflichen Schulen in Eschwege habe ich die medizinischen Fachangestellten unterrichtet. Ich bin verheiratet und habe 3 inzwischen erwachsene Kinder. Aktuell arbeite ich bereits seit 13 Jahren beim Gesundheitsamt in Eschwege. Ich habe verschiedene Tätigkeiten in Teilzeit ausgeübt, um Zeit für die Familie zu haben – so habe ich auch beim Gesundheitsamt überwiegend in Teilzeit gearbeitet. Das ließ sich sehr gut mit der Kinderbetreuung vereinbaren. In meiner Freizeit fahre ich sehr gerne Rennrad oder gehe joggen und wandern. Außerdem singe ich in einem Chor und spiele Blockflöte, Klavier und Saxophon.

 

Sie sind ausgebildete Ärztin. Was hat Sie dazu bewegt, im öffentlichen Gesundheitsdienst zu arbeiten und welche Tätigkeiten umfasst dies?

Bereits nach meinem Studium hatte ich mich für den öffentlichen Gesundheitsdienst interessiert und mich sogar für das AIP (Arzt in Praktikum) – was es zu meiner Zeit noch gab – auf eine Stelle in Göttingen beworben. Diese wurde mir abgesagt, aus Gründen, die ich jetzt auch sehr gut nachvollziehen kann (s.u.). Als die Schweinegrippe kursierte, suchte das Gesundheitsamt in Eschwege Ärzt*innen, die bei den Impfaktionen helfen – über eine solche Aktion habe ich dann Kontakt zum Gesundheitsamt bekommen und konnte im Anschluss daran eine Teilzeit-Stelle annehmen. Meine Tätigkeit umfasste zunächst überwiegend die Anfertigung von amtsärztlichen Gutachten, darunter Erwerbsfähigkeitsgutachten und Einstellungsgutachten, insbesondere für angehende Beamt*innen. Außerdem wurde ich schnell im Bereich des kinder- und jugendärztlichen Dienstes eingearbeitet und konnte mich bei den Schuleingangsuntersuchungen einbringen. Gerade die Arbeit mit den Kindern macht mir besonders viel Freude, sodass im weiteren Verlauf der kinder- und jugendärztliche Dienst zu meiner Hauptaufgabe wurde. Allerdings ist unser Gesundheitsamt nicht sehr groß, sodass man in vielen verschiedenen Bereichen eingesetzt wird. Das macht die Arbeit interessant und abwechslungsreich. Als meine Kinder noch klein waren, war es außerdem praktisch, mit einer Teilzeit-Stelle so nah an meinem Wohnort arbeiten zu können. Besonders geschätzt habe ich die verlässlichen und flexiblen Arbeitszeiten.

 

Bestehen Möglichkeiten zur Weiterbildung? Streben Sie selbst eine Weiterbildung an?

Ich habe bereits viele Erfahrungen im Gesundheitsamt gesammelt und habe bereits deutlich länger als die für den Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen erforderliche Zeit im Gesundheitsamt gearbeitet. Unsere Chefin hat die Weiterbildungsermächtigung. 2017 wurde es mir ermöglicht, die mir noch fehlenden sechs Monate der Weiterbildung in der Psychiatrie und Psychotherapie zu absolvieren. Als die Corona-Pandemie Anfang 2020 all unsere Energie erfordert hat und die Wahrnehmung unserer regulären Aufgaben extrem einschränkte, ist mein Weiterbildungsprozess ins Stocken geraten. Vor Kurzem habe ich nun mit dem Theoriekurs an der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen begonnen. Dieser dauert ein halbes Jahr und findet überwiegend online statt, mit dreitägigen Präsenzphasen in jedem der sechs Module. Erst seit der Corona-Pandemie gibt es das Online-Angebot. Das hätte ich früher, als meine Kinder noch kleiner waren, auch gut gefunden, dann hätte ich den Kurs schon viel früher machen können. Ich plane nun im kommenden Jahr noch die Facharztprüfung abzulegen.

 

Sie leben mit ihrer Familie im Werra-Meißner-Kreis. Wie verbinden Sie beides? Gab bzw. gibt es Unterstützung dabei, beides gut zu vereinbaren?

Meine Eltern haben mich unterstützt und bei der Betreuung der Kinder geholfen. Da ich aber selbst auch gerne viel Zeit für die Familie haben wollte, habe ich viele Jahre nur in Teilzeit gearbeitet. Ich habe das nicht als Last, sondern eher als Luxus gesehen. Ich bin froh, viel Zeit für die Kinder gehabt zu haben – trotzdem war es mir auch wichtig, immer etwas zu arbeiten und im Beruf zu bleiben. Es gibt allerdings hier auch umfassende Möglichkeiten zur Kinderbetreuung.

 

Würden Sie jungen Menschen den Ärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes im Werra-Meißner-Kreis empfehlen? Welche Stationen sind vorher sinnvoll, um dort als Ärztin oder Arzt tätig zu werden?

Das kann ich natürlich nur empfehlen. Der öffentliche Gesundheitsdienst rückt in Zeiten der schwieriger werdenden Gesundheitsversorgung und gleichzeitig der zunehmend in den Fokus kommenden Aufgaben der Prävention in eine zentrale Position in der Gesundheitsplanung. Auch hier ist in multiprofessionellen Teams ärztliche Expertise gefragt. Daneben bestehen natürlich weiterhin die klassischen Aufgaben des Gesundheitsamts im ärztlichen und kinder- und jugendärztlichen Bereich, sowie der Hygieneüberwachung. Ich erwähnte ja schon, dass ich irgendwann verstanden habe, warum ich zunächst als frisch approbierte Ärztin keine Stelle am Gesundheitsamt bekommen habe. Auch aus meiner Sicht ist es sinnvoll, zunächst Erfahrung in der Klinik oder auch in der Praxis in der therapeutischen Medizin am Patienten zu sammeln. Für die Tätigkeit im Gesundheitsamt ist klinische Erfahrung notwendig, diese Erfahrung kann man meines Erachtens allein in Begutachtungen nicht so gut sammeln. Als begutachtende Ärztin kann man überzeugender auftreten und natürlich auch Krankheitsbilder besser prognostisch einordnen, wenn man schon klinische Erfahrung gesammelt hat. Ich würde interessierten jungen Menschen empfehlen, doch einmal während des Studiums eine Famulatur bei einem Gesundheitsamt zu machen oder auch später einmal ein Praktikum, um hinein zu schnuppern und die Tätigkeiten im Gesundheitsamt kennenzulernen. Ich würde dazu raten, zumindest die für den Facharzt erforderlichen 24 Monate in der direkten Patientenversorgung in Klinik oder Praxis zu absolvieren. Es ist auch sinnvoll, bereits vor dem Eintritt ins Gesundheitsamt das halbe Jahr in der Psychiatrie absolviert zu haben. Dann kann man sich mit den Erfahrungen gut in die Tätigkeiten des Gesundheitsamtes einarbeiten und die Zeiten für den Facharzt dort sammeln, im Anschluss den Kurs bei der Akademie absolvieren und dann die Facharztprüfung machen. Dies würde ich für den optimalen Plan halten.

 

Was schätzen Sie am Werra-Meißner-Kreis als Wohn- und Arbeitsort?

Der Werra-Meißner-Kreis ist eine landschaftlich wirklich sehr schöne Gegend, um dort zu leben und auch als junge Familie Kinder großzuziehen. Es gibt viele Angebote für Kinder und auch für Erwachsene. Hier besteht eine enge Verbindung zur Natur mit Möglichkeiten, sich mit regional erzeugten Lebensmitteln gesund zu ernähren, sich gut und regelmäßig zu bewegen und in der Natur auf Spaziergängen oder beim Wandern zu entspannen. Und wenn man doch das Bedürfnis hat, mehr Kultur als das hier schon reichhaltige Angebot zu erkunden, sind die Wege nach Kassel, Göttingen oder Eisenach relativ kurz.

 

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