Ein Blockpraktikum in der Landarztpraxis Pippart&Eickhoff – Viviane Gabriel


 

Bitte stellen Sie sich kurz vor. 

Ich bin Viviane Gabriel (25) und studiere seit April 2017 in Göttingen Humanmedizin. Ursprünglich komme ich aus Leverkusen, wo ich 2014 mein Abitur gemacht habe. Vor Beginn des Studiums habe ich eine Ausbildung zur Rettungsassistentin (2014-2016) in Bonn absolviert. Aktuell arbeite ich neben dem Studium in der Pflege auf der Intermediate-Care-Station (IMC) an der Universitätsmedizin Göttingen und promoviere in der Abteilung für Neurologie. Ich werde voraussichtlich im April 2022 mein zweites Staatsexamen schreiben und danach mein praktisches Jahr in Karlsruhe machen. Den Werra-Meißner-Kreis habe ich erst durch die Vergabe des Blockpraktikums kennengelernt.

 

Wie sind Sie auf das Projekt „Landpartie“ aufmerksam geworden? Wie sind Sie an den Praktikumsplatz in der Praxis Pippart&Eickhoff gekommen?

Der Platz wurde mir über die Blockpraktikavergabe durch das Studiendekanat der Universität Göttingen zugeteilt. Da die Anfahrt aus Göttingen etwas weiter ist, habe ich mich bei der Praxis nach einer Unterkunft informiert. Hierbei wurde mir vorgeschlagen, dass ich die Webseite www.land-arzt-leben.de aufsuchen soll. Die Praxis hat aktiv darauf hingewiesen, dass man durch das Projekt „Landpartie“ finanziell unterstützt wird. Daraufhin habe ich Frau Fett kontaktiert und mich kurz über die Förderungsmöglichkeiten unterhalten. Ich habe mich dann dazu entschieden, die Strecke zur Hausarztpraxis täglich mit dem Auto zurückzulegen und eine Fahrtkostenerstattung in Anspruch zu nehmen. Sehr schade ist, dass man hierzu keine Informationen durch die Universität erhält.

 

Wie hat sich Ihr Alltag während des zweiwöchigen Praktikums in der Praxis Pippart&Eickhoff gestaltet? 

Das Praktikum startete jeden Morgen um 8 Uhr, sodass ich um kurz vor 7 Uhr in Göttingen mit dem Auto losfahren musste. Wenn ich verkehrsbedingt mal etwas zu spät kam, war das gar kein Problem. Danach konnte ich mir aussuchen, welchem Arzt ich über die Schulter schauen wollte. Oft sind die Ärzte morgens auch zeitversetzt in die Praxis gekommen. Allen war es sehr wichtig, dass ich selbst praktisch arbeite und nachdem mir nochmal ein paar Handgriffe und Untersuchungen vorgemacht wurden, habe ich Patienten komplett allein betreut und nach einer mündlichen Übergabe an den behandelnden Arzt weitergegeben. Dieser hat bei Bedarf nochmal eine Untersuchung durchgeführt oder Fragen zu den Beschwerden gestellt, die ich vergessen hatte. Dadurch konnte ich eigenständig viele Patienten untersuchen und üben, lückenlose Anamnesen zu erheben. Meistens hatten wir nach jedem Patienten kurz Zeit, um über die Erkrankung und offene Fragen meinerseits zu sprechen. Selbst wenn es etwas voller war, wurde sich die Zeit genommen. Wenn für die Therapie weitere Informationen aus Krankenhäusern (Vorbehandlungen etc.) nötig waren, habe ich oft die Telefonate übernommen. Die Sprechzeiten gingen offiziell bis 12 Uhr, in der Regel haben die letzten Patienten die Praxis so um 13 Uhr verlassen. Danach konnte ich frei wählen, ob ich bis zur Nachmittagssprechstunde warten oder die Ärzte auf ihre Hausbesuche begleiten wollte. Sie haben mir auch die Möglichkeit von Theoriestunden gegeben, um mein Wissen zu verschiedenen Krankheitsbildern zu vertiefen. Tim Pippart hat meistens einen Tag vorher gefragt, welches Thema ich gerne vorstellen möchte, und am folgenden Tag wurde in der Mittagspause eine mündliche Prüfung simuliert. Je nach Umfang des Themas, haben wir bis zu 2 Stunden darüber geredet. Dies hat mir persönlich sehr viel gebracht, da ich so mein Wissen vertiefen und nach wenig Präsenz-Uni wieder ein richtiges fachliches Gespräch führen konnte. Zudem hilft es bei der Vorbereitung zum letzten Abschnitt meiner ärztlichen Prüfung. Meistens durfte ich nach der Theorie (ca. 14/15 Uhr) nach Hause fahren, sodass ich mich nachmittags Zeit hatte, mich auf den nächsten Tag und die Simulation vorzubereiten. 

 

Was haben Sie in Ihrem Praktikum gelernt? Was hat Sie überrascht? Gab es besondere Herausforderungen oder Schwierigkeiten?

Neben den praktischen Tätigkeiten (körperliche Untersuchungen, Anamneseerhebung, Blutentnahmen, Medikamentengabe etc.), habe ich vor allem gelernt eine strukturierte Therapieplanung zu erstellen. Hierbei haben die persönlichen Gespräche mit den Ärzten sowie die Theoriestunden im Anschluss wunderbar geholfen. Durch die Simulationen wird man gezwungen, seine Gedanken geordnet wiederzugeben und diese dann auch beim Patienten verständlich zu äußern. Mich hat vor allem überrascht, dass sich alle unfassbar viel Zeit genommen haben – egal ob die Praxis komplett überfüllt war. Der Fokus lag definitiv auf meiner Ausbildung. Außerdem wurde ich besonders gut in das Team integriert, die Zusammenarbeit zwischen den Ärzten*innen und Arzthelfer*innen war sehr gut. Das überwiegend gute Praxisklima wurde zusätzlich durch ein gemeinsames (verspätetes) Frühstück freitags (12 Uhr) gefestigt. Diese Erfahrung war für mich neu, da in meinen bisherigen Praktika meistens kein Raum für Fragen gelassen wurde. Eine Herausforderung war, dass man relativ schnell ins kalte Wasser geworfen wird und Patienten (zwar mit Rückfallebene) allein betreut und einem zugetraut wird, Therapieentscheidungen zu treffen. Dabei war allerdings zu jeder Zeit klar, dass man bei Unsicherheiten nachfragen kann, aber auch dieses Vorgehen war neu. Zusätzlich sieht man in einer ländlichen Hausarztpraxis auch ein großes Spektrum an Erkrankungen, die in einer Stadt direkt vom Facharzt behandelt werden. Ein Nachteil war die tägliche Fahrerei (meist über 2 Stunden pro Tag unterwegs), aber auch hier war die Arztpraxis verständnisvoll, sodass ich bei wichtigen Terminen auch etwas früher gehen durfte.

 

Was macht für Sie der Landarztberuf aus? 

Der Landarztberuf macht für mich aus, dass man fachlich unfassbar weit aufgestellt sein muss, da es keine Fachärzte in direkter Umgebung gibt und Einwohner*innen mit vielen unterschiedlichen Beschwerdebildern kommen. Ein weiterer Punkt ist das Vertrauen und die Dankbarkeit. Die Gespräche werden auf einer etwas anderen Ebene geführt, immer noch fachlich, aber trotzdem wesentlich nahbarer und empathischer, als ich es aus Praxen in der Stadt kenne. Oft kennen Landärzte auch die sozialen Umstände der Patienten besser und können entsprechend besser behandeln oder finden leichteren Zugang zu diesen. 

 

Könnten Sie sich vorstellen später auch in diesem Beruf tätig zu werden?

Vor dem Praktikum war der Beruf des Hausarztes/Landarzt keine Option. Denn zum einen liebe ich das Fach der Anästhesie. Außerdem kann ich mir nicht direkt vorstellen, den Klinikalltag zu verlassen und die Verantwortung für Personal und Räumlichkeiten zu übernehmen. Auch stelle ich mir den bürokratischen Aufwand immens vor und im Studium wird das Thema „Niederlassung“/„Abrechnung“ nicht wirklich thematisiert. Allerdings habe ich nach dem Praktikum viel darüber nachgedacht, ob Allgemeinmedizin zukünftig, wenn der Klinikalltag irgendwann zu hektisch und der Schichtdienst zu anstrengend wird, nicht eine sehr gute Alternative darstellt. Diese Gedanken hatte ich vor dem Praktikum auf keinen Fall. Da ich noch nicht weiß, wo ich langfristig sein werde, kann ich nicht ausschließen später im ländlichen Bereich zu arbeiten. Zusätzlich kann man auch mit dem Facharzt Anästhesie eine sehr gute Weiterbildung zur Allgemeinmedizin machen. Es gibt tatsächlich auch sehr viele Quereinsteiger.

 

Können Sie sich bei einem Landarztberuf eine gute „Work-Life-Balance“ vorstellen?

Ich denke, dass der Beruf eine gute Work-Life-Balance bietet. Ich habe über dieses Thema viel mit Herrn Pippart gesprochen. Er sagt, der Hausarzt/Landarztberuf bietet sich vor allem für Ärzte an, die mehr Anteil am Familienleben haben wollen. Die Arbeitszeiten (wie Hausbesuche) kann man sich frei einteilen und die Menschen auf dem Land haben auch eher Verständnis, wenn es zu Verspätungen kommt. Zusätzlich hat man die Vorteile des Landlebens (günstigeres Leben, Ruhe, Natur etc.). Die Eröffnung einer Praxis auf dem Land wird außerdem noch finanziell unterstützt und die Menschen sind aufgrund des ländlichen Ärztemangels überwiegend dankbar. 

 

Würden Sie anderen Studierenden ein Praktikum im ländlichen Raum / im WMK weiterempfehlen?

Ja, auf jeden Fall. Ich selbst war zu Beginn sehr skeptisch und die Fahrerei hat mich eher abgeschreckt. Die Zeit in der Praxis hat mir aber unfassbar gut gefallen und man bekommt einen umfangreichen Einblick in die Arbeit eines Landarztes. Ich hatte das Gefühl, dass der Alltag etwas entschleunigt wird und die Ärzte jedem Patienten und mir genug Zeit einräumen. Die Lehre wird hier ganz besonders großgeschrieben. Ich finde, dass es sich lohnt diesen Unterschied zum normalen, stressigen und hektischen Klinikalltag hautnah mitzuerleben, weshalb ich jedem besonders die Praxis Pippart&Eickhoff empfehlen kann. 

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